Kein Tag, an dem nicht über unbesetzte Stellen berichtet und geklagt wird. Handwerksbetriebe müssen immer öfter Aufträge ablehnen, weil sie einfach nicht genügend Manpower haben. Im Jahr 2021 fehlten dem Handwerk insgesamt 87.485 Arbeitskräfte, mehrheitlich Gesellinnen und Gesellen, Tendenz steigend. Die Gründe für diese extreme Unterdeckung sind vielfältig und sollen hier nur kurz genannt werden, wie z.B. demographischer Wandel, ungünstige Schwerpunktsetzung in der Bildungspolitik, Imageprobleme im Handwerk, der generelle Wertewandel in der Arbeitswelt, die weitgehend gute Konjunktur, etc. Dabei trifft der Rückgang der Anzahl der Fachkräfte auf eine sehr hohe und steigende Nachfrage nach handwerklichen Leistungen, nicht zuletzt verstärkt durch die Energiekrise.
Wer soll künftig die viele Arbeit leisten? Wie können sich Handwerksbetriebe behaupten gegen große Arbeitgeber aus der Industrie, die sich ebenso einen Wettstreit um die besten Bewerber liefern und bisweilen mit attraktiveren Rahmenbedingungen aufwarten können? Dabei unternehmen Handwerksbetriebe heute schon sehr große Anstrengungen, um Mitarbeiterende zu gewinnen. Ohne Frage ist die Schaffung einer Arbeitgeber-Marke mit einer gewissen Alleinstellung notwendig; die richtigen Rekrutierungskanäle sind zu nutzen, die Firmen-Website muss ansprechend sein, Zeitarbeit kann punktuell sinnvoll sein, etc.
Aber reicht das? Was kann darüber hinaus getan werden, um den eigenen Betrieb trotz Fachkräftelücke für die Zukunft gut aufzustellen?
Schnelle und einfache Rezepte sind hier Fehlanzeige. Stattdessen gilt es, den Horizont zu weiten und über die oben genannten naheliegenden, zugleich wichtigen und richtigen Maßnahmen hinaus zu blicken. Nach weiteren, alternativen Ansätzen zu suchen, die möglicherweise nicht sofort ihre Wirkung zeigen, aber nachhaltig Erfolg versprechend sein können. Wohlgemerkt als Ergänzung. Dabei geht es eher um Einstellungen und Haltungen, das richtige „Mind-Set“ also.
Arbeitgeber-Attraktivität oder die Frage nach der Zufriedenheit
Die Arbeitgeber-Attraktivität kann nicht hoch genug geschätzt werden, nicht nur im Recruiting. Wenn es gelingt, die Mitarbeitenden zufrieden im Betrieb zu halten, entsteht weniger Fluktuation und damit u.a. weniger Nachbesetzungsdruck. Ganz nebenbei trägt das dazu bei, Kosten zu dämpfen und Know-How zu sichern. Grund genug, dass sich Betriebe darum kümmern, was sie in den Augen ihrer Mitarbeitenden zu einem attraktiven Arbeitgeber macht.
Unternehmer sind herausgefordert, den richtigen Mix zu finden, der individuell zu ihrer Belegschaft passt. Vielleicht ist da noch mehr drin?
Generationen-Dialog oder wie tickt die Gen Z?
Ein zukunftsfähig ausgerichteter Betrieb kümmert sich um Nachwuchs und hat idealerweise eine Belegschaft quer durch alle Altersgruppen. Dabei tut sich – auch bei den wohlwollendsten Betrieben – nicht selten die generationenübergreifende Kommunikation als Konfliktpotenzial auf. Weit verbreitet sind die Klagen über die desolate Arbeitseinstellung der Generation Z (etwa zwischen 1995 und 2010 geboren), auch Digital Natives genannt. Sie sind die erste Generation, die in die digitale Welt hinein geboren und maßgeblich davon geprägt ist. Damit stellen die Digital Natives ihre Umgebung vor große Herausforderungen. Kurze Aufmerksamkeitsspannen, wenig Belastbarkeit, wenig Verbindlichkeit, Verschmelzen von realer und virtueller Welt, sofortiger Rückmeldungsbedarf, ständig verfügbare Kommunikation, etc. sind diese Eigenschaften der Generation Z, die weitgehend erklärbar sind aus der Dominanz der digitalen Welt und unseres sich daraus entwickelten Verhaltens.
Hinzu kommt, dass viele Jugendliche ohne stabile Leitplanken oder Grenzen aufwachsen. Ihre „Helikopter-Eltern“ räumen alle Schwierigkeiten aus dem Weg und nehmen ihnen damit die Möglichkeit, an Hindernissen zu wachsen und Freude an der Anstrengung zu entwickeln. Da verwundert es nicht, dass vielen Jugendlichen eine geringe Kritikfähigkeit sowie ein überzogenes Selbstbild nachgesagt werden. Dabei sind sie oftmals völlig überfordert von den unendlichen Möglichkeiten des WWW und erst recht der realen Welt. Völlig übersehen wird meist, dass der Wertewandel, der an der Generation Z sichtbar wird, gleichermaßen auf die gesamte Gesellschaft wirkt und uns alle mehr oder weniger beeinflusst.
Höchste Zeit, dass sich Betriebe diese Zusammenhänge bewusst machen, um zu verstehen, was Jugendliche brauchen, damit sie erfolgreich ins Arbeitsleben hineinzuwachsen können. Weder das Handwerk noch die Wirtschaft als Ganzes kann es sich leisten, auf junge Menschen zu verzichten, nur weil ihr Ankommen in der Arbeitswelt mehr Förderung und Verständnis braucht als man das bisher gewohnt war. Aber wie kann das im Handwerksbetrieb nachhaltig gelingen?
Es lebe die Vielfalt
Spätestens wenn die klassischen Fachkräfte rar geworden sind, lohnt es sich, weiter zu schauen, welche Personengruppen denn bisher noch gar nicht in den Blick genommen wurden als potenzielle Mitarbeitende. Gruppen, die mehr Förderung brauchen und deren Rekrutierung und Integration im Betrieb vielleicht etwas mehr Anstrengung und Engagement seitens der Betriebe erfordert. Ist diese Integration jedoch erst einmal gelungen, kann dies vielfach eine lange und stabile Arbeitsbeziehung bedeuten.
Geflüchtete Menschen, Menschen mit Behinderung, Quereinsteiger, Menschen mit besonderem Förderbedarf, Frauen in Männerberufen, Männer in Frauenberufen, Frauen nach der Familienphase, ältere Bewerber, Menschen aus anderen Kulturen und mit anderem Aussehen, kurzum: mehr Diversität im Betrieb kann ungenutzte Arbeitskräfte-Potenziale heben und bereichernd wirken. Wichtiger Erfolgsfaktor ist eine unvoreingenommene Offenheit, nicht nur beim Betriebsinhaber, sondern bei der gesamten Belegschaft, was bisweilen einer gewissen mentalen Umgewöhnung bedarf. Die sich langfristig aber richtig lohnt.
Kollege Roboter
„Die besten Arbeitskräfte sind die, die man gar nicht braucht“ – etwas salopp formuliert, aber im Kern durchaus ein weiterer Ansatz, der kaum zu schließenden Fachkräfte-Lücke zu begegnen. Wo immer es gelingt, den Fachkräftebedarf zu reduzieren, muss nicht mühsam und Hände ringend nach Mitarbeitenden gesucht werden. Zu denken ist dabei an die Automatisierung und Rationalisierung einfacher und sich wiederholender Tätigkeiten bis hin zur Robotisierung, die auch im Handwerk voranschreitet. Prominentes Beispiel ist der Betondrucker, der auf der Baustelle weniger Maurer und Betonbauer erfordert und damit den vorhandenen Fachkräften den Rücken frei hält für andere Arbeiten. Die Entwicklung auf vielfältigen Gebieten hat gerade erst begonnen.
Viel Arbeit – wenig Personal. Die Herausforderungen bleiben, aber wir brauchen kreative Ideen, mithilfe derer wir „um die Ecke denken“. Wenn Sie die hier genannten Ansätze spannend finden und mehr dazu wissen möchten, noch dazu von hochkarätigen Fachreferentinnen und -referenten, dann empfehlen wir die
Online-Fachtagung:
„Viel Arbeit – wenig Personal … Mit welchen modernen Ansätzen können Sie dem Fachkräftebedarf begegnen?“
am 3. Februar 2022 von 14.00 Uhr bis 17.30 Uhr
Informationen und Anmeldung finden Sie hier:
https://event.hwk-stuttgart.de/reg/fachtagung2023-po-arbeit/