New Work: Der Einfluss von Megatrends und Geschäftsmodellinnovationen für das Schreinerhandwerk

Steckbrief

Projektträger

Handwerkskammer Konstanz

Status

Die Workshops sind abgeschlossen – Spannende Einblicke sowie alle erarbeiteten Ergebnisse stehen ab jetzt im Studienbericht zum Download für Sie bereit.

Hintergrund

Die Workshops waren Teil einer Reihe innerhalb des wissenschaftlichen Modellprojekts „New Work: Der Einfluss von Megatrends und Geschäftsmodellinnovationen auf die Arbeit im Handwerk der Zukunft – konkretisiert anhand einer Zukunftsvision für das Schreinerhandwerk“ unter der Projektsteuerung der Handwerkskammer Konstanz und auf Initiative von Hauptgeschäftsführer Georg Hiltner. Das Projekt wurde im Rahmen der Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“ des Landes Baden-Württemberg bezuschusst.  

Blick in die Zukunftswerkstatt

Welchen Einfluss haben die sich abzeichnenden Megatrends auf das Schreinerhandwerk und wie können sich Betriebe darauf vorbereiten? Diesen Fragen gingen wir gemeinsam mit Schreinern aus dem Handwerk in organisierten Workshops nach.

Handwerksunternehmen sollen die Megatrends wie Digitalisierung und Konnektivität oder die Energiewende als echte Chance für ihr Unternehmen sehen und nutzen können. Sie über neue Beratungs- und Schulungsangebote, aber auch durch Aus- und Weiterbildung bestmöglich in die Zukunft zu begleiten, ist daher ein wichtiges Anliegen der Handwerkskammern. Die Ergebnisse der vorliegende Modellprojekt-Studie New Work sind hierfür ein wichtiger Baustein.

Im Rahmen der Studie wurde in verschiedenen Workshops erarbeitet, welche aktuellen und zukünftigen Herausforderungen sich aus den Megatrends für Handwerksbetriebe ergeben, inwieweit sie diese meistern können und ob die gesamte Handwerksorganisation für die zukünftigen Herausforderungen gut gewappnet sind. Aus den Analysen haben wir Denkanstöße und Handlungsempfehlungen für die Handwerksbetriebe, die Handwerkskammern, die Handwerksorganisation allgemein sowie die Politik formuliert.

Das Projektteam setzte sich aus Experten der Handwerkskammer Konstanz und einem Hochschulinstitut zusammen, ferner wurden drei Workshops mit Schreinerbetrieben aus dem eigenen und benachbarten Kammerbezirken durchgeführt.

Überblick

Einen Überblick über die wesentlichen Megatrends gab Prof. Dr. Wagenmann vom Institut für KMU und Handwerk an der Allensbach Hochschule.  So sei beispielsweise mit einem weiteren kräftigen Digitalisierungsschub auf allen Ebenen zu rechnen, auch beim Kunden. Dieser sei per Mausklick immer bestens informiert, worauf sich das Handwerk einstellen müsse – genauso wie auf eine älter werdende Kundschaft und Belegschaft sowie steigende Steuern und Lohnnebenkosten.

Das Thema Nachhaltigkeit spiele dem Handwerk in die Karten: Sowohl der nachwachsende Rohstoff Holz, als auch der Wunsch nach regionalen und umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen liege laut Wagenmann voll im Trend.

Parallel hierzu würden künftig die zunehmende Spezialisierung und Kapitalintensität mehr Zusammenarbeit erfordern. „Das Schreinerhandwerk könnte sich vom genossenschaftlichen Ansatz der Landwirtschaft oder vom Baukastenprinzip in der Automobilproduktion Anregungen holen, um im Wettbewerb gegen die industrielle Konkurrenz zu bestehen“, so der Experte.

Dass sich der bestehende Fachkräftemangel im Handwerk zeitnah entspannen würde, sei laut Wagenmann eher unwahrscheinlich.

Teilnehmer

So unterschiedlich die betrieblichen Hintergründe der Teilnehmer hinsichtlich Betriebsgröße oder Produktportfolio waren, so ähnlich zeigten sich doch die Zukunftsaufgaben. Für die Beteiligten war der Input, vor allem aber auch der Austausch in lockerer Atmosphäre, daher ein echter Gewinn.

Der anwesende Kammerpräsident Werner Rottler zeigte sich beeindruckt: „Es ist toll, wie offen und ehrlich sich die Anwesenden über die aktuellen und künftigen Problemlagen in ihren Betrieben ausgetauscht haben.“

Über die Megatrends im Schreinerhandwerk tauschten sich Schreiner aus der Region in dem Auftakt-Workshop der Handwerkskammer Konstanz auf der Insel Reichenau aus. Rechts außen Kammerpräsident Werner Rottler. (Bild HWK)

Ein Interview mit den Autoren und Teilnehmern über die Ergebnisse Studie

Wie wandlungsfähig ist das Handwerk?

„Der Einfluss von Megatrends und Geschäftsmodellinnovationen auf die Arbeit im Handwerk der Zukunft konkretisiert am Schreinerhandwerk und mit Handlungsempfehlungen für Betriebe, Handwerksorganisation und Politik“ – so der vollständige Titel einer Studie, die die Handwerkskammer Konstanz im Rahmen der Zukunftsinitiative Handwerk2025 durchgeführt hat.

Das Autorenteam kommt dabei zum Ergebnis, dass sowohl Handwerksbetriebe als auch die Organisationen des Handwerks noch Nachholbedarf haben, um die Aufgaben von morgen zu stemmen. Eindrücklich haben die Macher der Studie erarbeitet, welche aktuellen und zukünftigen Herausforderungen sich aus den Megatrends wie Digitalisierung oder Globalisierung für Handwerksbetriebe ergeben, inwieweit sie diese meistern können und welche Rolle den Handwerksorganisationen zukommt.

Ein Interview zu den Ergebnissen der Studie mit Georg Hiltner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Konstanz sowie den Autoren Prof. Dr. Jürgen Wagenmann, Leiter des Instituts für KMU und Handwerk an der Allensbach Hochschule Konstanz, Dennis Schäuble, Leiter des Unternehmensservice bei der Handwerkskammer, und Stephan Schmidt, Schreinermeister und Inhaber des Schreinerbetriebs Möbelschmiede in Zußdorf-Wilhelmsdorf können Sie hier nachlesen.

Megatrends wie Digitalisierung und Globalisierung beeinflussen alle Bereiche des Lebens und wirken sich natürlich auch auf die Arbeit in handwerklichen Betrieben aus. Wie viel Handwerk steckt künftig noch im Handwerk?

Hiltner:
„Das Handwerk wird nach wie vor stark im Bereich individuelle Dienstleistung beim und für den Kunden, Reparatur, Sanierung und Montage bleiben. Wenn die Unternehmen es schaffen, ihre handwerkliche Expertise mit den modernen Möglichkeiten der Digitalisierung zu verbinden, sehe ich keine Probleme für die Zukunft. Das erfordert aber bei so manchem Unternehmen ein Umdenken. Insbesondere kleinere Unternehmen machen sich hier noch zu wenig Gedanken, was das für ihr aktuelles Geschäftsmodell bedeutet.“

Sind die Handwerksbetriebe auf diesen Wandel gut vorbereitet?

Schmidt:
„Ich kann nur für das Schreinerhandwerk sagen, dass es hier eine Spanne von wenigen sehr gut aufgestellten Betrieben bis wenigen „das lohnt sich nicht (mehr)“ Betrieben gibt. Der große Teil dazwischen ist im Großen und Ganzen aufgrund der Komplexität und der sich überschneidenden Megatrends überfordert. Sich zukunftsfähig aufzustellen braucht den offenen und ehrlichen Austausch mit Kollegen und Mitarbeitenden, aber auch z.B. mit der Handwerkskammer, Abwägung, Zeit und Geld. In Zeiten, in denen die Auftragsbücher voll sind und Zeitdruck herrscht, kommen solche überlebenswichtigen Auseinandersetzungen sicherlich deutlich zu kurz. Das Wissen um die Notwendigkeit der großen Transformationsaufgaben ist außerdem bei den Betrieben noch nicht angekommen.“

Was kann das Handwerk von der Industrie lernen?

Wagenmann:
„Für Handwerksbetriebe gelten dieselben betriebswirtschaftlichen Grundsätze wie für Industrieunternehmen. So können Handwerksbetriebe durch Standardisierung, Modularisierung (Baukastenprinzip) und Digitalisierung der Produktion Kosten senken und ihr Betriebsergebnis verbessern. Die Automobilindustrie macht Standardisierung und Produktion nach dem Baukastenprinzip schon seit Langem vor. Je höher der Standardisierungsgrad, desto niedriger die Stückkosten. Im Rahmen der Digitalisierung ist E-Commerce ein wichtiges Zukunftsthema. Eine professionell gestaltete Website mit Kundentermin-Management oder Produktkonfigurationsmöglichkeit oder die Nutzung von Social Media sind gute Beispiele. Auch die Überwindung des häufig übertriebenen Konkurrenzdenkens kann Optimierungseffekte für die Handwerksbetriebe haben: Kooperative Ansätze wie z.B. Werkstatt- oder Maschinengemeinschaften nach dem Vorbild landwirtschaftlicher Genossenschaften wirken kostensenkend, oder Bieter- und Arbeitsgemeinschaften nach dem Vorbild der ARGEn im Baugewerbe. Diese können die Wettbewerbsposition kleiner Handwerksbetriebe gegenüber industriellen Anbietern verbessern.“

Welche Beispiele für innovative Geschäftsmodelle gibt es bereits im Handwerk?

Schäuble:
„Da gibt es viele. Zum Teil wissen die Betriebe nicht einmal, dass sie bereits ein innovatives Geschäftsmodell anwenden. Sie haben einfach intuitiv an den richtigen Stellschrauben gedreht. Bei einem innovativen Geschäftsmodell geht es nicht immer darum, etwas Neues zu entwickeln oder zu erfinden, sondern auch darum, Ideen oder Anwendungen aus anderen Bereichen zu adaptieren. Warum sollte es im Handwerk keine Anreize für langjährige Treue oder Abo-Modelle geben? Die Multiplikation von Kompetenzen außerhalb des Kerngeschäfts bietet sich im Handwerk genauso an, wie in anderen Wirtschaftskreisen.“

Was muss innerhalb der handwerklichen Aus- und Weiterbildung verändert werden?

Hiltner:
„Um Berufsbilder zu erneuern und zu modernisieren, sind mehrstufige, langwierige Abstimmungsverfahren notwendig. Bis sich alle beteiligten Partner auf Bundes- und Landesebene geeinigt haben, dauert es einfach zu lange. Dieser Prozess muss beschleunigt werden und dazu brauchen wir einen offeneren Austausch. Auch neue didaktische Ansätze müssen stärker in die überbetriebliche Ausbildung und der Weiterbildung einfließen und sich auch in Unterrichtsformaten und Lernmaterialien widerspiegeln. Wo wir freie Hand haben, sind wir hier schon sehr weit in unseren Bildungseinrichtungen. Ein großes Thema der Zukunft ist für uns darüber hinaus, das Amt des Prüfers für Jüngere attraktiver zu machen.“

Wie müssen sich die Organisationen des Handwerks künftig aufstellen?

Hiltner:
„Unsere Aufgabe ist es, Handwerksbetriebe vor dem Hintergrund der Megatrends in eine erfolgreiche Zukunft zu begleiten. Wir werden daher entsprechende Angebote ausbauen wie Beratungen und Veranstaltungen zum Innovationsmanagement oder zu neuen Geschäftsmodellen. Gerade kleinere Unternehmen brauchen hier Hilfe. Die Herausforderungen sind riesig, da dürfen wir uns auch nicht so sehr im Klein-Klein verlieren, wenn wir leistungsfähig sein und Gehör bei der Politik finden wollen. Innungen, Kreishandwerkerschaften und die Kammer sollten sich dabei noch besser abstimmen und als starke Einheit auftreten.“